von Jorge Krekeler und Javier Jaramillo

Art 59. Stimmen der Wende

EL COMUN ist ein Selbsthilfenetzwerk welches sich in den südlichen Provinzen von Santander / Kolumbien um nachhaltige Landwirtschaft und die Stärkung sozio-organisatorischer Strukturen kümmert. Das Sagen hier haben mittlerweile Frauen. Agrarökologische Schulungen und die praktische Umsetzung hat nicht nur zu nachhaltiger Produktion in der familiären Landwirtschaft sondern auch die Rolle der Frau gestärkt, Lebensqualität der Landbevölkerung verbessert und Ernährungssicherheit gefestigt. Den lokalen Vereinigungen und Gruppen geht es in erster Linie um  Agrobiodiversität, vernünftige Ernährung für Produzent:In und Konsument:In und ein behutsames Miteinander mit der Natur.

Route der Imaginationen

Während der Stage des Zukunftsalmanachs bei EL COMUN, einem Zusammenschluss von lokalen Bauern- und Volksorganisationen in der Provinz Guanenta im Süden des Departements Santander / Kolumbien kamen wir ins Gespräch mit vier Personen, die Dank dieses Selbsthilfenetzes ihren eigenen Transformationsprozess hin zu ökologischer Produktion und nachhaltigem Leben gestartet haben.

Somara Leal, Salomón León, Pilar Useda und Irenarco Ardila sowie Jesús Güiza und Lizeth Zambrano teilen eine  wertvolle Errungenschaft: auf ihren meist kleinen Landschollen, meist weniger als 2 Hektar gross  finden sich teils mehr als 120 Produkte in ökologischen Anbau. Sie nutzen ihre eigenen Komposttonnen, um ihre Pflanzen zu ernähren, recyceln und nutzen das Regenwasser, erzeugen und nutzen Biogas und Biosprit und abends kommt die gespeicherte Solarenergie zum Zuge. Schweine, Kleintierzucht und eigene Fischteiche helfen neben dem Anbau bei der eigenen Versorgung, Überschüsse tauscht man mit den Nachbarn tauschen und man verkauft auf den nahe gelegenen lokalen Märkten. Die erwirtschafteten Einkünfte reichen, um auch ein Hochschulstudium der eigenen Kinder zu stemmen. Meist sind es Frauen, die diesen Transformationsprozess begonnen haben und sehr aktiv sind in den lokalen Organisationen die bei EL COMUN mitmachen.  Pilar Useda empfindet  EL COMUN als ein Wegweiser, „den ich um nichts in der Welt tauchen würde“. Somara Leal fügt hinzu: „Dank EL COMUN liegt eine 180 Gradwende hinter mir. Meine gesundheitlichen Probleme sind verschwunden und ich geniesse es förmlich, ständig Erde an den Händen zu haben; der Kontakt mit der Natur beschert mir ständig Momente des Glücks: dem Gesang der Vögel zu lauschen, die Blumen blühen zu sehen, zu beobachten, wie die bestäubenden Insekten auf so akribische Weise arbeiten“.

Seit mehr als 40 Jahren

Bei EL COMUN handelt es sich um eine Art Dachverband, dem etwa 20 lokale Gemeinschaftsorganisationen angehören. Mitmachen tun etwa  zweitausend Frauen, die meisten mit ihren Familien. Alles begann vor 40 Jahren, als die  Menschen vom Land begannen, ihre Rechte spürbar einzufordern. Zur gleichen Zeit entstanden, unterstützt  von der Sozialpastoral der Ortskirche erste Spar- und Kreditgenossenschaften sowie andere Mosaiksteine einer regionalen Solidarwirtschaft.  und dann ausgerichtet auf Agrarökologie und die Stärkung der Bäuerinnen. Seit seinen Anfängen wird es von Misereor unterstützt. EL COMUN, seit seinen Anfängen unterstützt durch Misereor ist Beispiel dafür, wie Menschen in ländlichen Gebieten durch nachhaltige und gemeinschaftliche Praktiken ein lebenswertes Leben, im Einklang mit der Natur führen. Schrittweise hat EL COMUN neben der politischen Interessensvertretung der Landbevölkerung sein Augenmerk auf nachhaltige, organische und zugleich produktive Landwirtschjaft, die Beteiligung und Rolle der Frau an gemeinschaftlichen Prozessen und dem Aufbau alternativer Wirtschaftsformen gerichtet; und dies mit grossem Erfolg. Ohne die heutige Rolle der Frauen, im technischen Team des Dachverbandes sind 5 der 6 Personen Frauen -auch die Leitung liegt mit Sarah Alhucema in den Haenden einer Frau- wäre es wohl zu alledem nicht gekommen.


Dieser Wandel hat eine entscheidende Verlagerung der Ausrichtung und des Arbeitsschwerpunkts bei EL COMUN eingeleitet: hin zu st
ärker lokalen und assoziativen Prozessen des Wissensmanagment und zugleich Anwendung in Sachen ökologischer Produktion, Ernährungssicherheit, sozialer Integration und ausgeprägtem Genderansatz.

Dem technische Team von EL COMÚN gehören größtenteils Frauen der zweiten Generation an, die von Kindesbeinen an gelernt haben, auf kooperative und partizipative Weise zu arbeiten.  Bei einer weitreichenden Technikexpertise, von Agrarökologie, Umwelt und Solidarwirtschaft bis hin zu Kommunikation gehören Beratungsbesuche, daneben Schulungen und  Praxistraining zum täglichen Programm. Das Mitmachen bei diesen Aktivitäten stellt fuer Viele den Weg zur, und Begleitung während des eigenen Transformationsprozess dar. Dank der modularen agrarökologischen Schulungen als Hauptinspirations- und Motivationsquelle ist es vielen, teils ganzen Familien gelungen, von Monokultur und traditioneller Produktion zu einem diversifizierten und ökologischen Anbau Modell überzugehen, eine Perspektive der Ernährungssicherheit zu öffnen und den Austausch von ursprünglich lokalem Saatgut zu praktizieren. 

Agroökologie: Theorie und Praxis

Alejandra Vargas gehört dem Teams von EL COMÚN an und zeichnet für die Schulungsmodule in Sachen Agrarökologie verantwortlich: , sagt über die agrarökologische Schule: „Es handelt sich um eine theoretisch-praktische Ausbildung, die ähnlich einer Wanderausstellung funktioniert. Alles spielt sich auf den Landschollen und kleinen Gehöften der Teilnehmenden ab, also so kontextnah wie möglich.  Wissen und Know-how über agrarökologische Praktiken und Technologien werden entsprechend der Bedürfnisse sowie Möglichkeiten der Personen vermittelt sowie auch nach Möglichkeit angewendet“. Das modulare Themenpensum umfasst persönliche Talententfaltung, Kommunikation, Agrarökologie, Infrastruktur und politische Interessenvertretung; auch rechtliche, administrative, buchhalterische und steuerliche Fragen werden beleuchtet. Die modulare Frequenz sieht eine Einheit alle drei Monate während drei Jahren vor und es nehmen etwa 35 bis 40 Personen, die Mehrheit Frauen teil; jede teilnehmende Person verpflichtet sich, die neuen Kenntnisse in der Praxis anzuwenden und einen lokalen Wissenstransfer mit interessierten Nachbar:Innen und den Personen ihrer Lokalorganisation in Gang zu bringen. 

Pilar und Somara sind sich in ihrer Einschätzung der von EL COMUN durchgeführten Schulungen einig. „Die Schulungen haben uns geholfen, unsere Mentalität Schritt für Schritt zu ändern und zu verstehen, wie wichtig es ist, sich um die ökologischen Lebensgrundlagen zu kümmern: Wasser, Boden, Wald und Saatgut“. Der Übergang zur Agrarökologie hat zu einer Diversifizierung der kleinen Landwirtschaften von drei oder vier auf über 60 Anbausorten geführt. In einigen Fällen werden auf Parzellen von weniger als zwei Hektar bis zu 120 verschiedene Produkte angebaut. Dieser Transformationsprozess bezüglich der Bewirtschaftung der Natur und der Umwelt involviert Schritt für Schritt die gesamte Familie: drehen tut sich dann nicht mehr alles nur um die Vermarktung; in gleichberechtigter Form rückt die eigene Ernährung, und hiermit verbunden die Gesundheit in den Blick der Personen. Die Landschollen ähneln grossen Gemüsegärten, fast überall sind Biogasanlagen in Betrieb, Wasserreservoirs für das Auffangen des Regens, oft verbunden mit kleinen Tanks für die Fischzucht, zudem Solarpanele und breit gefächerte Kleintierzucht. Diese agrarökologischen Prozesse wecken bei den eigenen Leuten, den Nachbarn und anderen Außenstehenden Neugierde und wecken Interesse an der Nachahmung. Gegenwärtig sind die Lokalinitiativen von EL COMUN gut vernetzt, auch mit anderen Organisationen und Netzwerken. Wirklich in Gang gebracht haben Frauen diese Transformationsprozesse bei EL COMUN. Während der ersten dreißig Jahre waren bei EL COMUN Männer am Ruder und in diesen Phasen schien die Agrarökologie eher ein Lippenbekenntnis, aber im Alltag und Praxis inexistent. Dies darf nicht weiter verwundern, da das Interesse vieler Frauen in erster Linie auf Ernährung der Familie sowie der Umsorgung der Nachhaltigkeit basiert. Dem anderen Gechlecht geht es in der Regel stärker um Einkommenserwirtschaftung und umfangreichere Produktion auf Kosten von Diversität und Umwelt.

Spektakuläre Ernten

EL COMÚN hat es in den letzten Jahren vermocht, durch ludische Pädagogik auch Kinder und Jugendliche anzusprechen. Auf diese Weise ist es keine Seltenheit, dass sich mehrerer Generationen von EL COMUN angesprochen und involviert fühlen. Dieser Ansatz sichert nicht nur die Kontinuität der Organisation, sondern bringt auch neue Ideen und Perspektiven ein, die den Prozess bereichern. Einmal mehr waren es die Frauen, die diese Intergenerationalität angestrebt und auch erreicht haben. Die Agrarökologieschulungen, die eigentlich viel viel mehr sind als reine Agrarökologiekurse, haben transformative Energie bei den Menschen entstehen lassen, sodass neues Wissen, verbunden mit wertgeschätztem,
traditionellem Wissen im Alltag umgehend angewendet wird. Dies ist die Grundlage, die vielen Frauen und ihren Familien eine nachhaltige und prosperierende Gegenwart erm
öglicht hat. Beteiligung der Basis wird grossgeschrieben, gewährleistet Transparenz bei Maßnahmen und Entscheidungen, stärkt das Vertrauen der Gemeinschaft und hilft, dass Entscheidungen den Bedürfnisse und Wünsche der Basis widerspiegeln. Es ist ein grosses Kollektiv, wo der/dem Anderen zugehört, Entscheidungen gemeinsam und im Konsens getroffen werden; Konflikte werden nicht unter den Teppich gekehrt ode ausgesessen sondern angegangen und aufgearbeitet. Die Stärkung der Rolle der Frau war von entscheidender Bedeutung bei EL COMUN, um widerstandsfähige und selbständige Lokalinitiaven und -gemeinschaften entstehen zu lassen und zu
begleiten.

Technologische Entwicklungen und vor allem neue teils gloabel Herausforderungen erfordern Weitsicht und ständige Aufmerksamkeit für zukünftige Trends. Es ist, als würde man auf einem mächtigen Fluss navigieren, immer im Wissen um die Strömungen und bereit, den Kurs zu ändern. EL COMÚN und seine Basisorganisationen sind in der Lage, sich an veränderte Kontexte und neue Trends anzupassen.

Personen der Lokalinitiativen von EL COMÚN erwähnen in Gesprächen häufig, dass der kontinuierliche Erfahrungsaustausch sehr motivierend ist. Neue Kenntnisse und die modulare Schulung sowie Praxiseinheiten sind für alle beteiligten zur treibenden Kraft bei der Umsetzung innovativer und nachhaltiger Maßnahmen geworden. Um sinnstiftende und erfüllende Lebensprojekte verwirkliche zu können, braucht es keine Land-Stadt-Migration; das Beispiel EL COMUN zeigt, dass dies auch auf dem Lande geht. 

Quintessenzen für die Zukunft

 

Für Leute auf dem Land

Es ist an der Zeit, den ökologischen Landbau nicht nur als leere Vokabel hin und wieder im eigenen Narrativ zu verorten, sondern Hand anzulegen. Jeder gepflanzte Samen gibt uns die Möglichkeit hin zu einer nachhaltigeren Zukunft. Dabei müssen wir diesen neuen Weg nicht  alleine meistern; Schulungen und Treffen, wie die von EL COMÚN gibt es vielerorts, um mehr über nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken zu erfahren und Erfahrungen mit Gleichgesinnten auszutauschen. Bist Du / seid Ihr bereit, Dein / Euer Land und Leben zu verändern?

Für Leute in der Stadt 

Sei Dir / seien Sie sich bewusst, was Du / Sie konsumierst/en. Jedes Mal, wenn Du Dich / Sie sich für ökologische und regionale Produkte entscheidest/n, unterstützt/en Du / Sie Landwirt:Innen, die hart arbeiten, um gesunde und nachhaltige Lebensmittel zu erzeugen. Deine / Ihre Entscheidung hat direkte Auswirkungen auf die Gesundheit Deiner / Ihrer Familie und das Wohlergehen unserer ländlichen Gemeinden.

Für Kollektive 

Lass dich / lassen Sie sich von der Power von EL COMUN inspirieren: Transparenz, Kohärenz und zielorientiertes Arbeiten sind unerlässlich, um Transformationen zu schaffen. Jede Gelegenheit sollte als Chance gesehen werden, sich durch Transformationen auf eine wünschens- und lebenswerte Zukunft hinzubewegen. Vertrauen, Beharrlichkeit und Ausdauer sind der Schlüssel, um der Gesellschaft auf die Sprünge zu helfen und komplexe Realitäten zu bewältigen. Wie könntest Du / könnten Sie Deine / Ihre Familie und Freunde motivieren, sich aktiv an diesen Übergängen zu beteiligen und mit gutem Beispiel voranzugehen?

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Der Text wurde auf der Grundlage von Gesprächen mit Sara Alhucema, Alejandra Vargas, Mayerli Achila, Jenny Paola Ardila und Tatiana Pinilla des Teams von EL COMUN in San Gil (die Organisation wird seit vielen Jahren von Misereor finanziell unterstützt) sowie Besuchen bei Somara Leal in San Jose Llano / Barichara, Salomón León in Agua Fría / Villanueva, Pilar Useda mit ihrer Familied in Quitasol / Guadalupe und Jesús Güiza mit Lizeth Zambrano in Moravio / Confines geschrieben. Der Besuch im September 2024 wurde von Javier Jaramillo (Mitglied des Beirats des Zukunftsalmanachs) und Georg Krekeler (Koordinator des Zukunftsalmanachs – Berater Misereor zu Transformation im Auftrag von Agiamondo) wahrgenommen. Danke an alle besuchten und interviewten Personen und ihren Familien für ihre Zeit und Vertrauen gegenüber dem Zukunftsalmanach; ein besonderes Dankeschön an Sara, Aleja, Mayerli und Jenny Paola des Teams von EL COMUN für all ihre Unterstützung und Hilfe. Und Dank an Javier Jaramillo für das tolle Teamworking.

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Autor:
Jorge Krekeler | [email protected]

Javier Jaramillo | [email protected]

Layout:
Gabriela Avendaño

Fotomaterial:
Javier Jaramillo – Jorge Krekeler

Kontaktdaten zum dokumentierten Prozess:

EL COMÚN

www.elcomun.org

[email protected]

[email protected]

Somara Leal  

WhatsApp: +57 3134826780 

email: [email protected]

Facebook y Twitter:  granja_orquideal

Salomón León

WhatsApp: + 57 3158211031

Pilar Useda

WhatsApp: +57 3223172397

Jesús Güiza

WhatsApp: +57 3157626277

Ausgabe: Februar 2025

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